Vorab: Ich besitze keinerlei Kompetenz in militärischen Fragen. Ich habe nicht einmal gedient – aus Gewissensgründen. Lese ich heute den Tagesspiegel, so wird mir einmal mehr klar warum.
Es fällt mir schwer, die militärische Rechnung Menschenleben gegen Menschenleben zu akzeptieren. Wir töten 150 Menschen, weil wir damit sehr viel mehr Menschen schützen. Mag sein, dass das richtig ist. Mag sein, dass die Darstellung nicht stimmt. Ich kann und will das nicht beurteilen. Für mich habe ich entschieden, dass ich für den Tot dieser Menschen nicht unmittelbar verantwortlich sein will, mittelbar trage auch ganz sicher ich die Verantwortung. Immerhin sind hier Soldaten in einem fremden Land mit dem Auftrag mich zu schützen, legitimiert u.a. von den auch von mir gewählten Vertretern.
In der jüngst geführten Diskussion stört mich ein Aspekt jedoch ganz massiv: Die Aussage, unabhängig davon, ob es sich bei dem Befehl um eine Regelverletzung gehandelt habe oder nicht, sei das Handeln militärisch angemessen gewesen. Aus meiner Sicht gibt es ein “unabhängig” in dieser Angelegenheit nicht. Es gibt kein: “Er hat zwar Regeln verletzt aber…”. Regeln sind einzuhalten. Regeln sind vor allem einzuhalten, wenn es um die Gefährdung von Gesundheit und Leben geht. Als Opfer einer Regelverletzung, die mir dauerhaft meine Gesundheit geschädigt und fast das Leben gekostet hätte, ist meine Meinung in dieser Angelegenheit vermutlich besonders radikal. Für mich gibt es in Fragen von Leben und Tod keine Legitimation fernab der Regeln. Und wenn eine empfindliche Bestrafung solcher Regelverstöße dazu führt, dass niemand mehr ein Kommando führen möchte, dann wird es endlich wahr: “Es ist Krieg und keiner geht hin.”
Und noch etwas: Den Versuch von medialer Einflussnahme auf Untersuchungsergebnisse, indem vorab klargestellt wird, wie das Ergebnis auszusehen hätte, weil sonst jenes oder welches einträfe, finde ich komplett indiskutabel und verabscheuenswürdig. Legitim ist dagegen die Diskussion um die Untersuchungsinstanz. Diese wäre idealer weise so zu wählen, das deren Objektivität und Kompetenz, sowie ihre Autorität von keiner Partei in Frage gestellt wird. Leider wird es auf der Suche nach einer solchen Instanz immer nur Kompromisse geben.
Mannomann, das sind ja gleich mehrere schwere Themen – aber auch genau meine Meinung.
Das einzige, wo ich absolut skeptisch bin, ist der Wahrheitsgehalt dieser Tanklaster-Story.
Es ist schon recht seltsam. Da sind diese Bilder von ausgebrannten Tanklastzügen. Gleich am 2. Tag auf jedem Fernsehkanal. Bilder von mitten im Nirgendwo. Wo sind die 150 Tote? Zehn Stunden nach dem Luftangriff liegen dort nur verkohlte Tanklastwagen. Wo sind die Leichenberge? Wo sind die 150 Bären, die die 150 Toten aufgegessen haben? Wo kommen in der Wüste plötzlich 150 Leute her? Warum drängten sich in der Weite des Nichts diese 150 Leute so dicht um die zwei flüchtigen Tanklastwagen? Wollten die alle im Schatten der fahrenden Lastwagen einen Marathon laufen? Wenn da wirklich diese Leute waren – sollten das wirklich unschuldige Zivilisten aus den umliegenden Dörfern gewesen sein, die gerade zufällig alle zur gleichen Zeit am gleichen Punkt mitten in der Wüste gewesen sind? Gab es überhaupt im Umkreis von 50km überhaupt genügend Dörfer mit genügend Einwohnern, um 150 Leute zusammen zu bekommen?
Letztendlich ist das vermutlich der gleiche Witz, wie die unscharfen Satelliten-Fotos von LKWs mit Atomwaffen im Irak, die dem Uno-Sicherheitsrat präsentiert wurden.
Wiegesagt, ich bin inzwischen sehr misstrauisch gegenüber solchen Berichten. Irgendwie stinkt die Story.
Als ich zur Schule ging, haben uns unsere Lehrer immer nahe zu bringen versucht, daß 1939-1945 genug war. Nie wieder Krieg mit deutscher Beteiligung.
Heute sitzen wir in Afghanistan, im Kosovo, vor der libanesischen Küste – ich lehne das alles grundsätzlich ab, weiß aber nicht wie man das ändern soll. Es gibt zwar eine eine bestimmte Partei, die das auch ablehnt, doch die halte ich gleich aus mehreren dutzend Gründen für nicht vertrauenswürdig und nicht wählbar.
Bei mir bleibt da immer ein Gefühl von Hilflosigkeit und ein Hoffen auf die Zukunft.
@Lars: Ganz wichtiger Punkt. Das erste Opfer in jedem Krieg ist bekanntlich die Wahrheit. Wie bildet man sich eine Meinung, wenn man keine Verlässlichen Informationen hat, auf denen man sich diese Meinung bilden kann?
@Sigurd: Wir stellten ja schon fest, dass wir auf die gleiche Schule gingen. Da haben wir offensichtlich auch die selben Lehren mitgenommen.