Nach dem Erwerb der digitalen Spiegelreflexkamera mit APS-C Sensor wurde mein Wunsch nach kleineren Brennweiten unüberhörbar laut. Zwar ändern sich auf einer DSLR die Brennweiten nicht wirklich. Allerdings ist der Sensor von den meisten DSLRs ein ganzes Stück kleiner, als ein Kleinbildfilm. Dadurch ergibt sich, dass der Bildausschnitt verkleinert ist. Damit bekommt man auf ein digitales Bild der EOS 10D mit 28mm etwa so viel aufs Bild, wie bei meiner analogen Kleinbildkamera mit 45mm. Damit wird aus meinem Tamron 2.8/28-75mm umgerechnet so etwas, wie ein 45-120mm, also ein Zoom, das von Normalobjektiv bis in den leichten Telebereich reicht.
Das Tokina soll nun den Weitwinkelbereich abdecken. Es ist nur für die APS-C Sensoren berechnet, d.h. kann für Kleinbild nicht benutzt werden, weil nur ein Kreis in der Mitte des Filmes belichtet werden würde. Dafür reicht es jedoch von 12-24mm, was umgerechnet auf Kleinbild etwa 19-38mm entsprechen würde. Das ist schon ordentlich weitwinklig.
Das Tokina ist kein Portraitobjektiv. Die Verzerrungen sind schon sehr deutlich und wirken unnatürlich. Aber gerade das gibt einem die Gelegenheit, eine ganz eigene Bildsprache zu sprechen.
In diesen Weitwinkelbereichen gelten ganz andere Regeln. Durch den wahnsinnig grossen Bildausschnitt treten plötzlich sehr unterschiedliche Belichtungssituationen auf. In einigen Teilen des Bildes ist es z.B. sehr dunkel, in anderen extrem hell. Hier muss man sehr sorgfältig beim Belichten sein, um den Verlauf auf den Punkt zu bringen. Dafür bietet einem die weite Fläche auch grossartige Möglichkeiten, Stimmungen zu vermitteln.
Henri Catier-Bresson fotografierte sehr oft und gerne mit einer 35mm Festbrennweite. Diese ist gerade für Reportagen ein guter Kompromiss, um Menschen in ihrem Umfeld darzustellen. Man muss als Fotograf schon relativ nahe am Geschehen sein, weil man ansonsten nur Suchbilder produzieren würde. Aber mitten drin ist es genau das richtige.
So ein Weitwinkel ist etwas für Schärfentiefenfanatiker. Aus rein physikalischen Gründen ist es so, dass der Schärfebereich mit wachsender Brennweite bei gleicher Blende kleiner wird. Wenn ich also bei Blende 8 mein Objektiv auf 1m scharf stelle, erhalte ich bei unterschiedlichen Brennweiten folgende Schärfebreiche:
- 12mm: 0.65 – 2.22m
- 50mm: 0.97 – 1.03m
- 100mm: 0.99 – 1.01m
Wenn ich also ein Foto haben möchte, auf dem möglichst alles, von vorn bis hinten scharf ist, sollte ich eine möglichst kleine Brennweite wählen. Allerdings muss ich dann, um den Betrachter nicht zu verwirren andere Möglichkeiten finden, um auf das wesentliche im Bild hinzuweisen. Oder aber ich überlasse es einfach mal absichtlich dem Betrachter, sich auf dem Bild zurechtzufinden.
Das das Tokina erst bei f4 beginnt, ist aus diesem Grund nicht weiter schlimm. Selektive Schärfe ist keine Aufgabe für das Weitwinkel. Anders sieht es natürlich schon mit dem Licht aus. Allerdings kann man bei Weitwinkelaufnahmen auch längere Belichtungszeiten nehmen, ohne zu verwackeln. Daumenregel ist Belichtungszeit: 1/Brennweite beim Kleinbild. D.h. 12mm entsprechen etwa 20mm beim Kleinbild. Damit sollte 1/20 Sekunde aus der Hand noch verwacklungsfrei drinn sein. In der Tat gelangen mir mit Aufstützen des Objektivs akzeptable Aufnahmen sogar bis etwa 1 Sek. Den Beweis bleibe ich allerdings noch schuldig.
Meine Meinung: Das Objektiv ist grossartig. Meine Möglichkeiten sind durch die Wahl sehr viel größer geworden, als hätte ich mir ein Fullrange-Zoom (z.B. 18-50mm o.ä.) gekauft. Allerdings ist natürlich zwischen der Weitwinkelwelt und der Normal- und Telewelt ein Objektivwechsel nötig. Dafür ist das Objektiv messerscharf.